von Lisa Buhrke, Teilnehmerin YOGA 300 2021-2022 und YOGA 200 2024-2025

Die Bandhas haben ihren Ursprung in der Hatha Pradipika (13./14. Jahrhundert nach Chr.), also dem Grundlagenwerk des Hatha Yoga. Der Begriff “Bandha” stammt aus dem Sanskrit und bedeutet “Verschluss” oder “Bindung”. Indem ein Bandha gebunden wird, wird es auch verschlossen.
Diese Verschlüsse werden in der Yogapraxis durch bewusste Anspannung (Muskelkontraktionen) gesetzt und haben sowohl anatomische als auch energetische Funktionen.
Aus anatomischer Sicht wird durch das Setzen der Bandhas mehr Stabilität im Körper erzeugt und die Muskeln, Bänder und Gelenke werden geschützt.
Zudem wird die Wirbelsäule stabilisiert und die Muskulatur an den Stellen des Bandhas gestärkt.
Energetisch gesehen helfen die Bandhas dabei, die Energien im Körper zu kontrollieren und zu verteilen. Durch die gezielte Aktivierung von Bandhas wird Prana (Lebensenergie) in bestimmte Bereiche des Körpers gelenkt, um Stabilität, Energie und Konzentration zu fördern. Sie spielen besonders im Hatha- und Ashtanga-Yoga eine wichtige Rolle, sind aber auch in anderen Yoga Stilen zu finden.
Bandhas verhindern, dass Energien in bestimmte Richtungen strömen und lenken sie in andere Richtungen.
Generell werden die Bandhas den Mudras zugeordnet, da Mudras Gesten sind, die Energie lenken. Sie können im Sitzen oder Stehen ausgeführt werden, wobei der Sitz aufgrund von Meditation und Pranayama bevorzugt wird.
Auf Bandhas sollte verzichtet werden, wenn entzündliche Prozesse in den Körperregionen der Bandhas vorliegen und auch bei frischen OP-Narben oder Bluthochdruck. In der Schwangerschaft darf nur ein sanftes Mula Bandha gesetzt werden und die anderen Bandhas nicht.
Es gibt drei Hauptbandhas sowie ein viertes, das alle drei kombiniert.
Padha Bandha (Füße) und Hasta Bandha (Hände) sind die Verschlüsse der Hände und Füße, diese werden in diesem Text jedoch außen vor gelassen.
1. Mula Bandha (Wurzelverschluss) bekanntestes Bandhha; Mula = Wurzel
Ort: Beckenbodenmuskulatur
Aktivierung: Kann beim Ein- oder Ausatmen geübt werden. Oft ist es beim Halten des Atems am einfachsten. Am Ende der Einatmung: Anspannen des Beckenbodens, als ob man den Bereich zwischen Anus und Genitalien sanft anzieht, ähnlich wie bei der Kontrolle des Harnflusses und dem Zusammenziehen der Anusschließmuskeln. Die Oberschenkel-, Gesäß- und die Unterbauchmuskulatur bleibt weich. Die Aktivierung des Beckenbodens ist kaum von außen sichtbar.
Effekte: Mula Bandha zieht die Energie an das untere Ende der Wirbelsäule, in das Muladhara Chakra (Wurzel Chakra) und öffnet dadurch die Sushumna (feinstoffliche Wirbelsäule). Dadurch hilft es, Energie im unteren Bereich des Körpers zu speichern und zu stabilisieren. Es wird oft als “Wurzelverschluss” bezeichnet, da es Erdung und Zentrierung fördert. Es verhindert jedoch, dass die Energie nach unten abfließt. Die Praxis von Mula Bandha kann die Stabilität in stehenden Asanas erhöhen und das Bewusstsein für die Körpermitte stärken. Es kann auch in die Meditation integriert oder bei Pranayama wie z.B. Kapalabhati oder der Wechselatmung eingesetzt werden.
2. Uddiyana Bandha (Bauchverschluss)
Ud = nach oben; ud-di = nach oben fliegen; yana = Reise + führen / Reise nach oben / nach oben fliegen (Bauch + Prana fliegen nach oben)
Ort: Bauch unterhalb des Bauchnabels, im Bereich der Bauchmuskulatur
Aktivierung: Nach dem Ausatmen und mit leeren Lungen wird die Bauchdecke eingezogen und nach innen oben gezogen, sodass ein „Hohlraum“/Vakuum im Bauch entsteht. Man kann sich auch vorstellen, dass man den Bauchnabel unter die Rippen zieht. Oft wird dies bei angehaltenem Atem (Kumbhaka) praktiziert. Das Zwerchfell zieht gegen den Brustraum. Der Rumpf kann etwas nach vorne gebeugt werden, aber der Rücken bleibt gerade.
Effekte: Uddiyana Bandha heißt wörtlich „das nach oben fliegen“. Uddiyana Bandha zieht Prana (Energie) aus seiner Basis, dem Muladhara Chakra, durch die Wirbelsäule nach oben. Es aktiviert das Manipura Chakra (Solarplexus) und sorgt für Leichtigkeit und Beweglichkeit in den Yogahaltungen. Es führt dazu, dass das Prana in die Sushumna (feinstoffliche Wirbelsäule) fließt. Es stärkt die Bauchmuskulatur, stabilisiert den Rücken, stimuliert und massiert die Verdauungsorgane, so dass auch Agni (Verdauungsfeuer) angeregt wird. Uddiyana Bandha unterstützt die Kontrolle über die Atmung und die Energie. Dieses Bandha wird zudem bei der Nauli Kriya (innere Reinigungsübung) eingesetzt, bei der gleichzeitig die inneren Bauchorgane durch kreisförmige Bewegungen der Bauchmuskulatur massiert werden.
3. Jalandhara Bandha (Kehlverschluss)
Jala = meint das Gehirn + den Nerv, der durch den Hals verläuft; dhara = Zug nach oben; Jala = auch Netz / bezieht sich auf das Netzt von Energiekanälen + Nerven im Halsbereich
Ort: Kehle/Halsbereich
Aktivierung: Einatmen und Atem halten, senken des Kinns in Richtung Brustbein bei gleichzeitigem Heben des Brustkorbs, so dass die Atemwege im Halsbereich leicht verschlossen werden. Der Nacken bleibt lang. Diese Position übt über das Rückenmark einen Zug nach oben aus und wirkt damit auf die Nervenzentren und das Gehirn. Die Zunge geht mit der Oberseite an den Gaumen (Jihva Bandha). Bandha vor dem Ausatmen lösen. Es wird während des Atemhaltens ausgeführt.
Effekte: Verhindert den Abfluss der Energien nach oben, öffnet Sushumna (feinstoffliche Wirbelsäule) im Kehlbereich, erlaubt, die Luft nach vollständiger Einatmung lange anzuhalten. Dieser Verschluss beruhigt den Geist und fördert Konzentration. Er wird vorranging in Atemtechniken angewendet, insbesondere bei Kumbhaka (Atemanhaltephasen). Wichtig: Schultern, Mund und Gesicht sind entspannt, Rücken gerade lassen.
4. Maha Bandha (Großer Verschluss) Maha = groß
Ort: Kombination aus allen drei oben genannten Bandhas
Aktivierung: Einatmen, den Atem halten und Mula Bhanda, Uddiyana Bandha und Jalandhara Bandha aktivieren. Es werden alle drei gleichzeitig gehalten. Die Wirbelsäule bleibt lang und entspannt. Bandhas lösen und ausatmen.
Effekte: Maha Bandha ist eine fortgeschrittene Technik, die alle drei Verschlüsse gleichzeitig miteinander kombiniert und so die gesamte Energie im Körper bindet, harmonisiert und zirkulieren lässt. Dieses Bandha wird oft in Meditation und fortgeschrittener Pranayama Praxis verwendet (z.B. beim Anhalten in der Wechselatmung), um den Geist zu beruhigen, die Konzentration zu erhöhen und das Bewusstsein zu erweitern, beispielsweise zur Erweckung der Kundalini Energie (universelle Energie im Menschen).
Anwendung der Bandhas in der Yogapraxis
Verbesserung von Stabilität und Balance: Besonders in Asanas, die die Körpermitte und den unteren Körper fordern, wie etwa im Krieger oder in stehenden Balancen, hilft Mula Bandha, die Stabilität zu erhöhen und die inneren Muskelgruppen zu stärken. Im Baum können Mula Bandha und Uddiyana Bandha gleichzeitig gesetzt werden. Auch in der sitzenden Vorbeuge kann Uddiyana Bandha die Länge in der Wirbelsäule unterstützen. Jalandhara Bandha wird vorranging in Atemübungen angewendet. Generell können Fehlhaltungen und Verletzungen in den Asanas durch Bandhas reduziert werden.
Steigerung das Körperbewusstsein: Durch Bandhas steigt das Bewusstsein für den eigenen Körper, da spezielle Bereiche und tiefliegende Muskeln, die wir im Alltag nicht nutzen, bewusst angesprochen werden.
Unterstützung bei Pranayama: In der Atemkontrolle werden Bandhas oft während des Anhaltens des Atems eingesetzt, um die Energie gezielt zu lenken und zu halten. Beispielsweise kann die Atempause mit Bandhas länger gehalten werden.
Erhöhung der Konzentration und Energie: Bandhas bringen nicht nur den Körper in eine bessere Ausrichtung, sondern wirken auch auf die geistige Ebene. Sie können das Bewusstsein steigern, den Geist klären und die Meditation unterstützen. Beispielsweise gibt Mula Bandha einen Energieschub.
Erweckung der Kundalini Energie: Durch das Setzen der Bandhas entsteht ein energetischer Strom entlang der Sushumna. Durch Mula Bandha und Jalandhara Bandha wird verhindert, dass Prana nach oben und unten austritt. Durch Uddiyana Bandha wird das Prana in die Sushumna nach oben gebracht. In diesem Prozess kann die Kundalini nach oben steigen und zu einem überbewussten Zustand führen.
Am Anfang kann das Aktivieren der Bandhas ungewohnt sein und es ist nicht leicht, die Konzentration während der Asana Praxis aufrecht zu erhalten und die Bandhas durchgängig zu setzen. Die korrekte Anwendung von Bandhas erfordert Übung, Geduld und Achtsamkeit. Es ist ein Balanceakt zwischen Gelassenheit und Anstrengung. Anfänger sollten sich Zeit nehmen, um jedes Bandha individuell zu üben und sich zunächst auf das Erlernen eines Bandhas konzentrieren, bevor sie mehrere kombinieren. Es ist ratsam, die Bandhas unter Anleitung eines erfahrenen Yogalehrers zu erlernen, um die richtige Technik und die vollen Vorteile zu erfahren.
Ergänzender Hinweis: Bandhas gehören nicht in jede Asana Praxis, denn beispielsweise darf der Beckenboden auch mal weich sein. Oft ist einfach eine tiefe und entspannte Atmung ins Zwerchfell erwünscht, weil der Alltag viel Anspannung mit sich bringt.
Dennoch sind die Bandhas wertvolle Begleiter in der fortgeschrittenen Yogapraxis.
Quellen
www.wiki.yoga-vidya.de/Bandha, abgerufen am 18.11.2024
https://wiki.yoga-vidya.de/Mula_Bandha, abgerufen am 18.11.2024
https://wiki.yoga-vidya.de/Uddiyana_Bandha, abgerufen am 18.11.2024
https://wiki.yoga-vidya.de/Jalandhara_Bandha, abgerufen am 18.11.2024
https://wiki.yoga-vidya.de/Maha_Bandha, abgerufen am 18.11.2024
Swami Vishnu-Devananda (2017) Das große illustrierte Yogabuch (17. Aufl.). Aurum
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